Chüechlihus-Sunndig 2022
Das Museum als Treffpunkt
Chumm, mir göi es paar Rosechüechli go ihnezieh! So startet ein Gespräch zwischen zwei Jugendlichen, die am 11. September 2022 durch Langnau gehen. Oh, ja! Wie viu Gäud hesch im Portmonee? Sie ändern die Richtung ihres Spaziergangs und marschieren zum Regionalmuseum Chüechlihus.
Doch sie sind nicht die Einzigen mit dieser Idee. Vor dem Stand mit den Rosen- und Apfelchüechli stehen bereits zahlreiche Besucher:innen in der Schlange und warten auf die handgemachten, frisch ausgebackenen, warmen Köstlichkeiten.
Nebenan hämmert, rattert, quietscht und lacht es. Rund um den Bärenplatz herrscht reges Treiben. Der Grund ist der alljährlich stattfindende Chüechlihus-Sunndig.
Raum für Gross und Klein
Ein vielfältiges Programm lockt an diesem Tag nach Langnau. Nebst kulinarischen Köstlichkeiten werden abwechslungsreiche Momente für Gross und Klein geboten. Auffällig: nicht nur ums Museum, sondern auch mittendrin. Dort, wo sich normalerweise ein Sitzungs- oder Workshopzimmer befindet, stehen allerlei Materialien zum Basteln bereit. Krawatten, Fäden, Leim, Schere, Papier u.a. werden herumgereicht. Die Anwesenden tauschen sich aus und setzen konzentriert ihre Ideen um.
Im ersten Obergeschoss herrscht ebenfalls grosser Andrang. Die Tätowiererin Lisa De Nigris richtete für diesen Anlass ein Pop-Up-Tattoostudio ein. Angeboten werden dort jedoch nicht Tattoos zum Stechen, sondern zum Kleben. Diese sind inspiriert von der Emmentaler Keramik und anderen Kulturgütern des Museums. Gross und Klein suchen eifrig Motive aus und zeigen nach dem Auftragen stolz ihre Hände und Unterarme. Langes Anstehen lohnt sich: Die Tätowiererin und ihre Crew zaubern den Teilnehmenden mit jedem post-historischen Bildchen ein Lächeln ins Gesicht.
#AltSuchtNeu
Im vergangenen Frühling starteten wir unser Entsammlungs-Projekt #AltSuchtNeu. Auf der Plattform entsammeln.ch riefen wir die Bevölkerung dazu auf, über den Verbleib von gewissen Objekten aus unserem Museum abzustimmen: Welche Objekte aus der Vergangenheit sollen wir weiterhin bewahren? Welche bieten keinen musealen Mehrwert und brauchen wir im Emmental nicht mehr, um damit kommenden Generationen unser Kulturerbe zu vermitteln?
Ziel war es, die Emmentaler:innen an der Geschichte der Region (und mit welchen Kulturgütern diese in Zukunft im Museum erzählt wird) zu beteiligen. Wichtig war uns auch, unseren ausgesonderten Sammlungsstücken ein neues Leben ausserhalb des Museums zu ermöglichen. Um neue Besitzer:innen für diese Objekte zu finden, lancierten wir einen Wettbewerb.
Unser Aufruf, sich auf die Objekte zu bewerben, führte zu beinahe 200 Bewerbungen. Einige davon erzählten von persönlichen Sehnsüchten und Schicksalen, von Trennung, von beruflicher Neuorientierung oder Kinderwunsch. Unsere Entsammlungsaktion bewog nicht nur Privatpersonen, sondern auch Museen, vernetzte Sammler:innen, Künstler:innen und Gemeinschaften dazu, sich zu melden. Ein kurzer Rückblick:
- Mit einer Bewerbung eigene Träume verwirklichen
- Über die Zukunft von Emmentaler Kulturerbe abstimmen
- Das Kulturgut aus dem Emmental zieht weiter
- Grosses Finale
Danach suchten wir in einem komplexen Auswahlverfahren, wieder gemeinsam mit der Bevölkerung, die besten Ideen aus (mehr Informationen dazu gibt es hier: Projekt im Überblick).
Am Chüechlihus-Sunndig verliessen die Gegenstände das Museum definitiv.
Abschied und Neubeginn
Die neuen Besitzer:innen treffen hier teilweise zum ersten Mal auf ihre Objekte aus dem Museum. Diese Augenblicke sind für alle vor Ort voller Emotionen. Glücksgefühle, Staunen, Verzückung und Dank. An diesem grossen Finale des Projekts findet Begegnung auf Augenhöhe statt. Während für die einen ein neuer Abschnitt beginnt, nimmt das Museum Abschied von den Objekten. Das Museum freut sich aber über den Weg, den sie noch gehen werden und auf das Neue, das jetzt entsteht.
Neues Langnauer Kultur- und Kunstwerk
Vor dem Museum koordiniert Julia Urech, Szenografin und 3D-Polydesignerin, den Bau eines neuen Langnauer Kultur- und Kunstwerks. Rund zwanzig Objekte werden hier gemeinsam mit den Besucher:innen verbaut. Kinder und Erwachsene fühlen sich von den neongelben Farben angezogen und helfen mit.
Die neongelbe Skulptur sticht ins Auge. Sie entsteht aus den Objekten, die wir aus der Sammlung entlassen und ist Teil des Projekts #AltSuchtNeu. Aus den historischen Zeitzeugen, die kein neues Zuhause gefunden haben, entsteht am Chüechlihus-Sunndig etwas völlig Neues. Vielleicht sogar ein neues Wahrzeichen für Langnau?
Die Skulptur verkörpert Wandel und Veränderung. Beides sind Konstanten, die sich von der Vergangenheit in die Zukunft ziehen und hier an dem Tag nicht nur sichtbar, sondern auch erlebbar gemacht werden.
Musik, Speis und Dank
Draussen, im Museumsgarten, ertönt eine Stimme am Mikrofon. Es ist Marianne Keel, die schon früh ihre Faszination für Blues und Jazz entdeckte. Heute sorgt sie im Chüechlihus mit Altbewährtem und neuem Liedergut für Stimmung und viele fröhliche Gesichter. Die studierte Musikerin trägt bekannte Songs neu interpretiert vor und animiert die Anwesenden zum Mitsingen. Begleitet wird sie bei einigen Stücken von ihrer Schülerin. Beim französischen Chanson ist es im Publikum mucksmäuschenstill. Alle lauschen gebannt dem frischen, überzeugenden Duo.
Bei Suppe, Plättli, Kaffee und Kuchen verabschieden Hanspeter Buholzer und Walter Sutter die ehemalige Leiterin des Regionalmuseums, Madeleine Ryser. Auch die langjährige Mitarbeiterin Elisabeth Schenk wird an diesem sonnigen Nachmittag gewürdigt.
Drinnen, im Museum, können Geschichten in neuer Form erfahren werden. Viele Themen im Chüechlihus sind auch heute noch von Relevanz. Wie viele das sind, zeigt die lebendige Bibliothek. Die Besucher:innen lernen in einer Art Postenlauf von Fachpersonen mehr über die Langnauer Keramik, das Langnauerörgeli, das Repair Café, die SCL Tigers und den Denkmalpflegepreis 2022.
Austausch, Begegnungen, musikalische Darbietungen, Skulpturenbau und Kulinarik im und ums Haus gehören an diesem Tag ebenso zum Programm wie Entspannung. Für ruhige Momente ist gesorgt. Eine Leseecke und ein Rückzugszimmer laden zum Ausruhen ein.
Viele Eindrücke bleiben
Und es geht weiter!
Das Regionalmuseum Chüechlihus bleibt auch in Zukunft ein Ort des Austauschs und der Begegnung und freut sich auf eine weitere Durchführung des Projekts #AltSuchtNeu im nächsten Jahr und den Chüechlihus-Sunndig 2023.